Angst und Wut, zwei Gefühle, die wir lieber nicht haben. Richtig?
Aber warum haben wir sie eigentlich und was können sie uns vielleicht doch bringen? War es denn richtig, dass wir immer beigebracht bekommen haben, dass diese Gefühle nicht gut sind?
Um zu verstehen, was das überhaupt ist und warum wir das haben, müssen wir weit weit weit zurück gehen. So weit, dass es noch gar keine Menschen gab, sondern gerade erst einmal Tiere. Denn die Gefühle, über die wir hier reden, die sitzen in unserem Stammhirn und das gab es schon lange vor uns.
Angst und by the way auch Wut sind Überlebensinstinkte und sie hängen ganz eng zusammen.
Wir hier bei Pulsierend konzentrieren uns meist eher nur auf die Angst, also warum schreibe ich diesen Artikel gleich zu beiden Gefühlen? Weil sie eben so eng miteinander verknüpft sind und weil auch der Umgang damit ganz ähnlich gelöst werden kann.
Gefühle gehören also zu unseren Überlebensinstinkten und vor allem dürfen wir uns darauf zurückbesinnen, dass Gefühle körperliche Reaktionen sind. Emotionen dagegen fassen den Begriff etwas weiter und schließen auch die gedankliche Ebene mit ein.
Angst und auch Wut sind also im Grunde genommen beides, denn zum einen ist es die körperliche Reaktion und zum anderen auch die Gedanken und das Verhalten, das damit einhergeht. Sich das klar zu machen, ist ein erster Schritt im Umgang mit diesen beiden Störenfrieden, denn wenn wir verstehen, dass hier gar kein kleiner Teufel am Werk ist, der uns dazu bringen will, uns mies zu verhalten, können wir den Gefühlen schon etwas besser entgegensehen.
Denn ist es nicht so, dass wir aus zweierlei Gründen Angst und Wut nicht mögen? Zum einen nämlich, weil wir uns durch die Gefühle zu Verhaltensweisen getrieben fühlen, die wir nicht wollen: Schimpfen, Schreien, Brüllen, Weglaufen und vielleicht sogar körperlichen Ausrastern…
Zum anderen fühlen sich diese Gefühle im Körper nicht gut an, bzw. wir haben durchaus auch gelernt, dass das, was damit einhergeht, nicht gut ist.
Aber, und das ist ein großes Aber, warum haben wir das denn dann überhaupt. Wenn das doch so schlecht ist?
Wenn du über eine Straße rennen willst, auf der Autos fahren, dann ist es gut, dass du Angst hast, denn sie hält dich davon ab, hinüber zu laufen.
Wenn ein anderer dich beschimpft, dich angreift, verbal oder auch körperlich, dann ist es gut, wenn du genug „Wut“ hast, um dich zu wehren. (Und ja, ich bevorzuge auch IMMER friedliche Lösungen, aber auch verbal für sich einzustehen, auch ganz friedlich, braucht eine Portion Wut und nebenbei auch Mut!)
Es sind also Systeme, die zu unserem Schutz dienen.
Soviel zur guten Seite. Aber alles was gut ist, kann eben auch schlecht sein.
Zum einen diese Sache mit dem Verhalten:
„Falsches“ oder „Schlechtes“ Verhalten resultiert oft daraus, dass wir nicht gut gelernt haben mit diesen körperlichen Warnsignalen (und nichts anderes sind diese Störenfriede) umzugehen. Vielleicht war es so, dass unsere Eltern schon nicht gut damit umgehen konnten und sie es uns deshalb nicht gut zeigen konnten.
Vielleicht war es auch so, dass andere uns gesagt haben, dass diese Gefühle schlecht sind. Nicht weil uns diese Menschen etwas böses wollten, sondern weil sie es eben auch so gelernt haben. Eine gesamtgesellschaftliche Geschichte.
„Du brauchst keine Angst zu haben“
„Jetzt beruhig dich doch mal“
„Das ist doch alles nicht so schlimm“
Das sind nur einige sehr wenige Beispiele von Sätzen, die gerne gesagt werden, ohne über weitere Konsequenzen nachzudenken. Dabei lösen die so viel aus.
Stell dir einmal vor, du bist in einer Situation, in der du richtig Angst hast. Es sind Monster unterm Bett. Der andere weiß, dass das Quatsch ist, aber du glaubst und vor allem fühlst du es!
Jetzt sagt der andere dir: Das ist alles nicht so schlimm. Aber dein Körper, der sagt dir etwas anderes. Der spürt das doch genau. Die Angst.
Du vertraust dem anderen Menschen. Der weiß viel mehr als du. Der wird schon recht haben. Dein Körper nicht.
Du verstehst, worauf ich hinaus will?
Ohne, dass irgendwer etwas Schlimmes wollte, wurden deine Gefühle übergangen. Du hast in dem Moment nicht gerlernt, damit umzugehen, sondern du hast gelernt, dass es nicht richtig ist, solche Gefühle zu haben. Bäh, böse Angst, die muss weg.
Und bei Wut doch noch viel krasser, oder?
Ich bin mir sicher, dass dir viele solche Beispiele einfallen, wenn du erst anfängst, darüber nachzudenken.
Ich möchte nochmal näher auf diese körperliche Ebene eingehen.
Was macht unser System, wenn wir irgendwo Gefahr erkennen (und ob real oder in unserem Kopf spielt für das System überhaupt keine Rolle!)
Unser Körper schüttet Stresshormone aus: Adrenalin und Cortisol. Die sorgen dafür, dass wir in eine Kampf- oder Fluchtbereitschaft kommen. Das heiß, dass unser Herz schneller schlägt, damit die Sauerstoffversorgung für die Muskeln gewährleistet ist. Die Durchblutung konzentriert sich auf wichtige Organe und die Muskeln. Die Muskeln spannen sich an.
Und weil wir eben oft erlebt haben, dass diese Symptome gefährlich sind, verbinden wir sie auch mit Gefahr. Das führt dazu, dass zum einen eine gefährliche Situation diese körperlichen Reaktionen auslösen kann, zum anderen aber auch diese Symptome selbst Angst auslösen können, weil wir denken, wir seien in Gefahr und der Körper auf solche Gedanken genauso reagiert, wie auf eine angstauslösende Situation.
Das alles kann sich immer weiter hochschaukeln.
Und so spüren wir Angst eben auch, wenn es eigentlich „gar keinen Grund“ gibt.
Ein Problem.
Was machen wir damit?
Wir lernen, mit der Angst umzugehen. Und genauso mit der Wut.
Dafür brauchen wir viele Ebenen:
Verständnis, also eine kognitive Ebene. Damit wir begreifen können, was wann mit uns passiert.
Ein gutes Gespür, eine emotionale Ebene. Damit wir erkennen können, was passiert.
Körperliche Verhaltensweisen. Strategien, damit wir mit dem Gefühl in unserem Körper umgehen können.
Und all dies kann man lernen. Sowohl für Wut, als auch für Angst.
Apropros Wut, wann haben wir die eigentlich?
Wut ist zum einen ebenso wie die Angst ein Warnsignal und zum anderen ein Mechanismus, der uns in die Lage versetzen soll, Situationen zu lösen. Wenn ein Raubtierangriff stattfindet, brauche ich genügend Wut, um mich verteidigen zu können. Ich muss jagen können, um zu überleben. Ich muss mich in einer Gruppe eventuell behaupten können. Ich muss mich an einen möglichen Partner*in rantrauen.
Wut versteckt oftmals andere Gefühle. Mal liegt Angst dahinter, mal Trauer, mal einfach ganz allgemein zu viel Stress.
Wut will uns mitteilen, was gerade in der Situation nicht stimmt.
Also muss ich auch hier hinschauen.
Das Wichtigste aus meinem langen Blabla von heute? Wut und Angst sind nicht böse, sondern gut und sinnvoll angelegte körperliche Signale. Wir müssen lernen, sie zu verstehen und dann auch noch angemessen darauf zu reagieren. Nicht leicht. Schon gar nicht immer.
Aber machbar!
Und so ganz zum Schluss möchte ich dir hier einmal Mut machen: Zum einen geht es nicht darum, diese Gefühle nicht zu spüren. Davon darfst du dich frei machen.
Und zum anderen musst du nicht perfekt sein. Wenn du dich auf den Weg machst, so wie ich, um mit diesen „Störenfrieden“ besser umgehen zu lernen, dann darfst du gute Tage und schlechte Tage haben. Es mag dir manchmal gut gelingen und manchmal könntest du dich selber wieder… das ist gut so. Denn so lernst du. Wie ein Kind, das wieder und wieder aufsteht, auch wenn es noch so oft hinfällt, bis es endlich laufen kann.
Gefühle begleiten uns durch unser ganzes Leben.
Leben wir lieber mit ihnen als gegen sie!